Reise ins Kloster
"Es muss eine Revolution stattfinden, und diese beginnt im Inneren von
Jedem von uns. Wir sollten aufwachen und uns in die Erde verlieben.
Unser persönliches und gemeinsames Glück und Überleben hängen davon
ab." Thich Nhat Hanh
Text von Iris, August 2023
Reise ins Kloster - Global earth retreat
Vor ein paar Wochen habe ich an einem sogenanntem "Earth retreat" in Plum Village , Frankreich teilgenommen.
Der Titel war "love and freedom", also Liebe und Freiheit.
(Retreat bedeutet Rückzug oder Auszeit)
Plum Village ist ein buddhistisches Meditationszentrum im südlichen Frankreich, in der Nähe von Bordeaux. Es wurde 1982 vom vietnamesischen Mönch Thich Nhat Hanh und der buddhistischen Nonne Chang Khong gegründet.
Ich konnte Thich Nhat Hanh leider nicht mehr persönlich kennenlernen, da er im Januar 2022 verstorben ist. Er war ein bedeutender Friedensaktivist, der auch mit Martin Luther King befreundet war.
Weiterhin hat er schon 1972 bei einer Friedenskonferenz der Vereinten Nationen auf den Zustand der Erde hingewiesen.
Obwohl ich christlich sozialisiert wurde und ich mich nicht als Buddhistin bezeichnen würde, mag Ich die praktische konfessionsübergreifende Art des Buddhismus, wie sie Thich Nhat Hanh gelehrt hat und jetzt von vielen Nonnen und Mönchen des "Inter-Being"-Ordens in der ganzen Welt weitervermittelt wird.
Da ich erschöpft, wie ich manchmal bin, eine Auszeit brauchte, kombinierte ich meinen Urlaub mit einem einwöchigen Retreat (Rückzug, Auszeit) in Plum Village (Pflaumen Dorf) in Frankreich.
Erstmal war ich sehr beglückt von der Abgeschiedenheit des Klosters, welches aus drei Gutshöfen besteht, die in einer wunderschönen Landschaft zwischen Weinbergen, Wald und natürlich Pflaumenplantagen liegen. Von der Bezeichnung "Earth Retreat" fühlte ich mich angesprochen, da mir die Natur am Herzen liegt und ich angesichts der Ausbeutung und Zerstörung unserer Natur manchmal sehr verzweifelt bin. Auch bin ich von Zeit zu Zeit aktiv im Naturschutz und habe dann manchmal das Gefühl gegen Wände zu rennen (oder zu reden). Gleichzeitig frage ich mich, "ob's das überhaupt bringt", wenn Aktivismus denn auch ausbrennt.
Zum Retreat in Plum Village kamen sehr unterschiedliche Menschen, online und live: Bauern, Umweltaktivisten, GärtnerInnen. Lehrer, Erwerbslose, SprecherInnen von indigenen Communities, WissenschaftlerInnen und Erholungssuchende und natürlich die in Plum Village lebenden Nonnen und Mönche, die der ganzen Veranstaltung einen wundervollen gastfreundlichen Rahmen gaben. Das vegane Essen war übrigens köstlich und fast alles wird selbst organisch angebaut auf der "Happy Farm".
Ich werde hier nur kurz berichten, was ich mitgenommen habe, was mich besonders beeindruckt hat. Es ist also ein sehr subjektiver Bericht und absolut nicht vollständig.
Schön ist das Schild am Eingang vom New Hamlet, dem Teil des Klosters, in dem ich wohnen werde:
"I have arrived, I am home."
Ich bin angekommen, ich bin zu Hause.
Es gab ein Programm, welches vor dem Frühstück um 6.00 Uhr mit Meditation und anschließenden körperlichen Übungen (Yoga, Qui Gong, Stock-Kampf anfing.
Später gab es interessante "Dharma Talks" , Vorträge von den Nonnen oder Mönchen in Plum Village. Weiterhin gab es tägliche Küchendienste oder Gartendienste, bei denen ganz praktisch Achtsamkeit bei "stinknormalen" Alltagstägigkeiten praktiziert wird.
Ich wurde in der Gruppe "Cutting Vegetables" eingeteilt, habe also gemeinsam mit den anderen Gemüse zerkleinert, ein ca. 60-minütiger Arbeitsschritt zur Vorbereitung der Mahlzeiten. Das achtsame Gemüseschneiden - nicht zu große, nicht zu kleine Stücke, war für mich eine gute Übung. Denn hastig und ungeduldig wie ich manchmal bin, lerne ich hier den alltäglichen Handlungen mehr Wert beizumessen. Zunächst war ich jedoch genervt und fühlte mich sogar ein wenig "verschaukelt", wenn ich darauf hingewiesen wurde, dass die Stücke zu groß bzw. zu klein seien.
Irgendwann jedoch habe ich verstanden worum es dabei ging: Zufriedenheit durch Achtsamkeit im gegenwärtigen Augenblick- die einzige Lebenszeit, die wir erleben können.
Nachmittags trafen wir uns in Kleingruppen, jeweils angeleitet von einer Schwester (in meinem Fall Sister Harmony), bei denen es um einen intensiven Austausch über die Erfahrungen ging und auch manche Tränen geflossen sind.
Während der Mahlzeiten und bis zum Frühstück und nach dem Abendessen wurde übrigens geschwiegen ("edles Schweigen" genannt), was ich als angenehm empfand, da ich berufsbedingt sowieso gefühlt viel reden muss.
Die Inhalte der sogenannten Dharma Talks, also Reden aus der buddhistischen Tradition heraus, fand ich allesamt extrem interessant, da sie alle sehr praxisbezogen und nachzuvollziehen waren. Das Thema, welches sich durchzog war unser Umgang mit der Erde und auch mit uns. - Alles hängt zusammen.
Pluriversum
Auch die Diskussionen zwischen Vertretern verschiedener Kulturen waren sehr spannend.
An zwei Tagen kamen viele Menschen zusammen um unterschiedliche internationale Stimmen zu hören, z. B. Satish Kumar, Gründer des Schumacher College aus Großbritannien, Rehena Harilall Psychologin mit indischen Wurzeln aus Südafrika, Tho ha Vinh, früherer Leiter des Happiness Instiutes und Botschafter für Bruttonationalglück in Bhutan, Joshua Konkakoh, ein Weiser und Direktor von "Better World Cameroon" und Eco village Gründer aus Kamerun, Afrika.
Ein besonderes Fest fand am Vorabend der Sommersonnenwende statt. Spirituelle Führungspersönlichkeiten aus verschiedenen Traditionen leiteten uns gemeinsam an, uns mit den Vorfahren der Erde und des Himmels in alle Richtungen zu verbinden.
Die kulturübergreifenden Stimmen zeigten auf, dass es ein "Pluriversum", also eine Vielfalt an Herangehensweisen gibt, die Schwierigkeiten unserer Welt zu verstehen und damit umzugehen und keine allgemein gültige Wahrheit.
Und für mich war es faszinierend zu sehen, wie bereichernd es ist, diese kulturell unterschiedlichen Sichtweisen nebeneinander stehen zu lassen und auch voneinander zu lernen.
Mission (im-)possible?
Wenn eine "Rettung" der Erde überhaupt möglich ist dann ist die Idee diese nur mit glücklichen und kreativen Aktivisten un engagierten Bürgern zu erreichen.
Die Idee dahinter:
Um die Welt zu retten, solltest du erstmal mit dir selbst gut umgehen. Also lerne, dich zu akzeptieren, bestenfalls zu lieben so wie du bist, dann hast du erstmal eine bessere Ausgangsbasis um Veränderung im Außen zu erzielen. Auch sprach der britisch-indische Friedensaktivist Satish Kumar, von radikaler Liebe, womit er zunächst die Selbstliebe meint und dann auch die Liebe der "Widersacher" oder sogar der Feinde. Mit dieser Haltung könne man offener durchs Leben gehen. Und um mit dem Leiden in der Welt, sei es in der Natur oder mit sozialer Ungerechtigkeit umzugehen, sei es gut, sich selbst mit guter Energie zu versorgen und nicht mit Ärger und Hass. Damit sei nicht gemeint die schlechten Gefühle zu verdrängen oder zu verleugnen: Rehena Harilall aus Südafrika ergänzte diese Einsicht, indem sie betonte, dass es auch
hilfreich sei, unseren Ärger unsere Trauer und andere negativen Emotionen wahrzunehmen und zu akzeptieren ohne immer direkt zu reagieren, sondern sich deren aktive Energie zu Nutze zu machen um aufzustehen und aktiv zu werden.
Wissenschaft und die Ethik des "Inter-Seins" und des angewandten Buddhismus
Einige der Vorträge zeugen von profundem aktuellen wissenschaftlichen Wissen wie es um die Welt steht (Ich habe z.B. gelernt, dass der Atlantik dabei ist sich um 6 °C aufzuwärmen, und dass die Folgen noch nicht absehbar sind und im globalen Ökosystem verschiedenen Kipppunkte wahrscheinlich schon erreicht worden sind. Dass es aber gut ist, Wissenschaft, die sich stets auch ändert, mit Spiritualität und einer
Ethik zu kombinieren, die die Erde als lebendiges Wesen ansieht. Dies unterstreicht ein oft zitierter Ausspruch Thich Nhat Hanhs:
"Die Welt ist in mir und ich bin die Welt"
Letztendlich spielt die Frage eine Rolle: dient die Wissenschaft dem "Leben" und bezieht sie auch andere Aspekte und andere Lebewesen, wie die Tiere und Pflanzen mit ein.
Die Ultimate oder spirituelle Dimension
Interessant fand ich auch die Unterscheidung zweier parallelen Arten, wie wir die Welt sehen und die sich oft zu widersprechen scheinen.
Diese Sichtweisen finden sich auch in vielen spirituellen, philosophischen und auch wissenschaftlichen Ansätzen. Hier gibt es einmal die Ultimate und die historische Dimension. Die historische Dimension bezeichnet eher die Welt der Zahlen, Daten und Fakten, der Effizienz und der logischen linearen und oft schnellen Herangehensweisen, der Trennung und der Unterscheidung.
In der Ultimate Dimension hängt alles zusammen, nichts ist wirklich getrennt voneinander. Alles ist vernetzt. Daher bedeutet die Berührung dieser Dimension offen zu sein und sich vom Leben und allem Sein seine tiefere Bedeutung zeigen zu lassen. Auch fühlen wir dann mehr
Verbundenheit, Liebe und Freude, also nährende Gefühle, welche uns mehr Frieden geben, und um in der historischen Dimension (Die Welt der Effektivität und Zahlen Daten Fakten) nachhaltiger, weil besonnener zu agieren und ihre Schärfe abzumildern.
Wenn wir mit uns im Reinen sind sind, fühlen wir uns verbundener mit unserer Mitwelt. Dann sind wir eher dazu in der Lage, die Ruhe zu bewahren und aus dieser heraus mitfühlende und weitreichendere, weil komplexere gemeinsame Entscheidungen zu treffen und auch unseren Alltag zufriedener zu meistern.
Wenn ich es richtig verstanden habe, gehen beide Dimensionen Hand in Hand und weder die eine noch die andere Dimension ist der anderen überlegen, nur dass wir in der westlichen Welt meistens der historischen Dimension mehr Bedeutung beimessen und es uns mitsamt allen Wesen auf der Erde gut tun würde die spirituelle Dimension mehr mit einzubeziehen, sie sozusagen "runter zur Erde" zu bringen.
Happiness im Angesicht der Katastrophen?
Mit Happiness oder Freude ist nicht die Art der vorübergehenden Begeisterung gemeint, die ich beim Shoppen habe oder hoffe in der Zukunft zu haben, wenn dies oder jenes passiert. Es ist auch nicht die Freude, die Leiden wegschiebt oder verleugnet.
Happiness, oder Freude in mir kann kultiviert werden, indem ich den gegenwärtigen Moment mit all meinen Sinnen erspüre und genieße, aber auf der anderen Seite auch mein Leiden fühle. Dann, wenn ich das Hier und Jetzt anerkenne und darin auch Schönes finden kann, habe ich
weniger das Bedürfnis alles Mögliche schnell zu konsumieren, was übrigens der Menschheit und dem Planeten gut tun würde.
Zum "Guten Leben" gehört ein also Gefühl von Glück, welches eher im jetzigen Moment zu erfahren ist, mit Mitgefühl verbunden ist und mit anderen geteilt werden kann.
Happy?
Allerdings scheint es wirklich, das Leben einfacher zu machen, wenn es mir gelingt durch die Übung des bewussten Atmens ins Hier und Jetzt anzukommen und weniger über Vergangenheit und Zukunft nachzudenken. Aber sogar so eine einfache Übung, wie z. B. fünf Atemzüge ohne Nachdenken fällt mir an manchen Tagen schwer. Aber immerhin bekomme ich dann mit, dass es dann Zeit ist für eine Pause, vielleicht mal wieder in den Wald gehen?
Die Frage "Bist du sicher?" bringt so manche festgefahrene Überzeugungen ins Wanken und macht offen für andere Sichtweisen.
Es gibt übrigens auch ein Kloster des von Thich Nhat Hanh gegründeten Inter-Sein Ordens in Waldbröl, Deutschland, das EIAB mit interessanten Angeboten.
Zen und die Kunst, die Welt zu retten
Und noch zum Abschluss ein Zitat aus dem letzten Buch von Thay, "Zen und die Kunst die Welt zu retten":
"Wahres Glück beruht auf Freiheit – nicht auf Freiheit, unseren eigenen Körper und Geist zu zerstören, noch auf der Freiheit, die Natur zu beherrschen und zu zerstören, sondern auf der Freiheit, Zeit zu haben, das Leben zu genießen: Die Freiheit, Zeit zum Lieben zu haben, die
Freiheit von Hass, Verzweiflung, Eifersucht und Verblendung; die Freiheit, sich nicht so sehr von Arbeit und Geschäftigkeit bestimmen zu lassen, sodass wir keine Zeit mehr haben, das Leben zu genießen oder uns umeinander zu kümmern. Unsere Lebensqualität hängt von
dieser Art der Freiheit ab."
(Thich Nhat Hanh, 2022, S. 128)
You tube Video: Happiness in the Here and Now: Let Mother Earth guide you Home - Lass die Erde dich nach Hause führen. Earth Retreat Juni 2023 in Plum Village, Dharma Talk von Brother Spirit:
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